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Mal eben zu Luther nach Eisenach

(zum Reformationsjahr)

Wenn der Vorsteher, ein Priester, der Chorleiter, ein Vize-Dirigent und deren Frauen, alles Sängerinnen im Chor,  plötzlich am Sonntag zusammen verreist sind, - das sorgt schon für ein kleines Aufsehen in der Gemeinde. Und so wollen wir dieses Geheimnis nun hier gleich lüften: Wir schreiben das Jahr 2017 und feiern 500 Jahre Reformation!

Am 31. Oktober 1517 verfasste Dr. Martin Luther seine 95 Thesen, schickte diese an den Erzbischof zu Mainz und beabsichtigte damit, einen wissenschaftlichen Disput über den Ablasshandel und den Zustand der Kirche allgemein auszulösen. Ob er diese in Latein formulierten Thesen tatsächlich auch an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt hat, ist zwar überliefert aber nicht nachgewiesen.

Was hat das mit unserer Reise nach Eisenach zu tun? Nun, Luther wurde ab 1518 in Augsburg und Worms wegen Ketzertums der Prozess gemacht und er mit  dem Bann belegt, also für vogelfrei erklärt. Das bedeutete, dass er völlig rechtslos war. Jeder hätte ihn überfallen oder gar töten können, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Auf seiner Flucht aus Worms wurde er auf Betreiben seines Landesherrn, des Kurfürsten Friedrich der Weise, von dessen Soldaten entführt und inkognito als „Junker Jörg“ zu seiner Rettung auf der Wartburg bei Eisenach bis 1522 versteckt. – Deshalb wollten wir diesen Ort besuchen!

Was uns aber – mit Ausnahme unseres Chorleiters, der alle Lebensstationen Johann Sebastian Bachs im Schlaf aufzählen kann – nicht geläufig war, ist, dass Eisenach auch die Geburtsstadt desselbigen ist. Und so waren wir dann nun doch schon etwas ergriffen, als sich herausstellte, dass die Ferienwohnungen, die wir gemietet hatten, sich in dem Wohnhaus von J. S. Bachs Vaters, Ambrosius Bach, befanden. Das war zwischen 1671 und 1674, und wenn abends oder nachts irgendwo im Haus die Dielen knarrten, musste ich - mich ein wenig gruselnd - an den alten Vater Bach denken, wie er wohl durch dieses Haus schlurfte.

Doch der war ja 1674 in das Haus gegenüber gezogen, in dessen Garten wir aus unserem Fenster  hinein blicken konnten. Hier also machte der kleine Johann Sebastian ab 1685 seine ersten Gehversuche! - Natürlich befindet sich in diesem Bach-Haus heute nun eines der vielen Bach-Museen, das einige von uns dann auch besuchten. Andere besichtigten die Kirche St. Georg, in der Bach getauft wurde. Unser Chorleiter interessierte sich vor allem für die dortige Orgel, an der J. S. Bach natürlich schon improvisiert hatte. Überhaupt: von 1667 bis 1797 waren vier der Bachs hier nacheinander die Organisten der Kirche.

Den Höhepunkt unserer Wochenendfahrt bildete jedoch der Besuch der Wartburg. (Bilder hiervon finden sich u. a. im Anhang dieses Artikels.) Die Wartburg ist zwar uralt, ihre Baugeschichte reicht bis ins 11. Jahrhundert zurück, das meiste, was wir besichtigen konnten, waren jedoch Rekonstruktionen aus dem 19. Jahrhundert. Diese waren eben so gestaltet, wie man sich zu damaliger Zeit eine Ritterburg des Mittelalters vorstellte. Dazu gehörten ein mit herrlichen Mosaiken geschmückter Empfangssaal sowie ein prachtvoller Festsaal, der auch heute noch zu offiziellen Anlässen genutzt wird.

Original erhalten war jedoch Luthers Stube. Der berühmte Tintenfleck an der Wand, der entstand, als Luther ein Tintenfass nach dem Teufel geworfen haben soll, war allerdings nicht mehr da, war auch vielleicht nur eine Legende. Hier allerdings übersetzte Luther in wenigen Wochen seines unfreiwilligen Aufenthalts das Neue Testament in die deutsche Sprache. Das hatten andere vor ihm zwar auch schon versucht, doch bediente er sich hier einer neuen Form der Übersetzung: Er übersetzte das in griechischer Sprache verfasste Neue Testament nicht wie sonst üblich Wort für Wort, sondern so, dass es der gemeine Bürger auch  tatsächlich verstehen konnte. Mit „Man muss den Menschen aufs Maul schauen“ meinte Luther nicht, ihnen nach dem Munde zu reden, sondern deren Sprache aufzugreifen und so die Bibel für alle verständlich zu machen.

Die Verbreitung dieser neuen Bibelübersetzung profitierte dabei von der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg wenige Jahrzehnte zuvor, einer Erfindung von solcher Bedeutung, wie man sie nur mit der Erfindung des Internets vergleichen kann! Diese Bibeln konnten nun viel schneller vervielfältigt werden und wurden auch immer billiger. Parallel hierzu verbreitete sich die Kunst des Lesens in der Bevölkerung und somit auch eine nahezu einheitliche Sprache, die hochdeutsche Sprache, wie wir sie im Wesentlichen auch heute noch sprechen, - mal abgesehen von Dialekten, wie dem Thüringischen zum Beispiel!

Woher wir das alles wissen? – In Eisenach gibt es natürlich auch ein Luther-Haus, das eine ständige Ausstellung über sein Leben und Wirken hier in Eisenach beinhaltet und das wir natürlich auch besuchten. Eisenach selbst ist eine herausgeputzte Kleinstadt, die an jeder Ecke mit Luther und den Bachs für sich wirbt und ansonsten mit der exzessiven Vermarktung von nahezu allen Parkplätzen ihr Geld zu verdienen scheint.

Natürlich waren wir am Sonntag auch in der von außen unscheinbaren aber innen überraschend großen Neuapostolischen Kirche, deren Geschwister uns liebe Grüße an die Gemeinde Adlershof mit auf den Weg gaben.

Auf der Rückfahrt ließen sich einige von uns noch recht viel Zeit, weil eine kulturell herausragende Location am Wegesrand lag: Weimar mit den Wohnhäusern von Goethe und Schiller, in Naumburg der Dom mit der bekannten Stifterskulptur der Uta als Gemahlin von Markgraf Ekkehard, das Schloss Ernst des Frommen zu Gotha oder der beeindruckende Dom zu Erfurt. Viele dieser Stopps wurden auch noch gekrönt durch den Genuss einer Thüringer Bratwurst, die zusammen mit der Thüringer Luft doch etwas besser schmeckte als in Berlin.

Was jetzt eigentlich noch fehlt, ist ein Besuch der Luther-Stadt Wittenberg, 120 km vor den Toren Adlershofs. Hier befand sich Luthers Lebensmittelpunkt, und hier übersetzte er auch das Alte Testament. Solch einen Ausflug könnte man sicher als eine Tagesfahrt an einem Sonnabend im September mit Bus, Bahn oder in Fahrgemeinschaften organisieren. Hat jemand hierzu Lust?

D.F.

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 Fotos: D. Francke